Schuld
Von einer Doppelfunktion der Fahrlässigkeit als Verhaltens- und Schuldform geht die h.A. aus:
Zunächst bemisst sich der Unrechtsgehalt einer Fahrlässigkeitstat grundlegend am Maßstab eines gewissenhaften und umsichtigen Durchschnittsmenschen.
Voraussehbarkeit und Sorgfaltspflichtverletzung werden also generell objektiv im Rahmen des Tatbestandes geprüft (= Fahrlässigkeit als Verhaltensform). Die Fähigkeiten und Kenntnisse des individuellen Täters werden in einer zweiten Wertungsstufe berücksichtigt (= Fahrlässigkeit als Schuldform). Es wird hier also ein subjektiver Sorgfaltsverstoß bei subjektiver Voraussehbarkeit geprüft:
- Wenn der Täter auch mit seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten die objektiv gebotene Sorgfalt hätte einhalten können, dann liegt ein subjektiver Sorgfaltspflichtverstoß vor.
- Wenn der Täter das Risiko des Erfolgseintritts nach seinen individuellen Befähigungen hätte erkennen können, dann liegt eine subjektive Voraussehbarkeit vor.
Erfassend lässt sich sagen, dass hier der Täter an seinen persönlichen Möglichkeiten gemessen wird; dabei spielen Kriterien wie Bildung, Intelligenz, soziale Stellung, Lebenserfahrung etc. eine Rolle.
Individuelle Sonderfähigkeiten bzw. Sonderwissen erhöhen bereits den objektiven Sorgfaltsmaßstab im Rahmen der Tatbestandsmäßigkeit. Individuelle Defizite senken hingegen den subjektiven Sorgfaltsmaßstab im Rahmen der Schuld.